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Gespräche zu Stücken
Stephanie Felber: Is there a world beyond the image?



Stephanie, in Deinem neuen Stück befasst Du Dich mit Bildern, genauer gesagt mit Ikonen, überhöhten, in ihrer Bedeutung übersteigerten Bildern. Was ist denn für Dich eine Ikone?

Wir sind tatsächlich erst mal von religiösen Ikonen ausgegangen. Was mich an den Ikonen der orthodoxen Kirche – ich habe sogar eine bei mir zu Hause hängen – interessiert hat, ist einerseits der Verweis auf das „Dahinter“, auf die Transzendenz, andererseits diese Form der Überpräsenz; mit dem ganzen Gold schreit es ja wirklich: Bang, da ist es. Und als dritter Aspekt kommt die Verehrung, das Anhimmeln dazu, der Prozess des Sich-Hinwendens. Wir haben uns tatsächlich bei den Proben viel mit verschiedenen religiösen Darstellungsformen, ihrer Form und Funktion und auch mit Performativität in Religionen befasst. Es ist ja kein religiöses Stück, aber der Umgang mit Bilder – konkreten wie eben orthodoxe Ikonen, katholische Andachtsbildchen, aber auch abstrakten wie Mandalas – der quasi vermittelnde Aspekt auf das „Dahinter“, diese verschiedenen Möglichkeiten haben wir versucht in Choreografie zu übersetzen.

Abseits von religiösen Ikonen, wo siehst Du das noch das Ikonische, was hat Euch auf den Proben noch beschäftigt?

Wir sind natürlich bei der Popkultur gelandet, bei Film-Ikonen, auch bei Herrschafts- oder Politikonen. Wobei wir wirklich bei allen gemerkt haben, dass wir da Schwierigkeiten hatten, das komplett zu akzeptieren. Okay, du hast eine Ikone – Marilyn Monroe – schön und gut, aber was dann. Und wir haben uns gefragt: Haben wir eigentlich unsere persönlichen Ikonen? Das war auch interessant, dass es irgendwie schwer ist zu sagen, dass man eine Ikone hat. Und trotzdem gibt es kollektive Ikonen – Madonna, Karl Lagerfeld, Pelé, etc. – also vom Gesellschaftsblick aus betrachtet: ja klar, aber als individueller Dialog – schwierig. Spannend ist dann eben die Frage: Ab wann sagte die Gesellschaft, das ist jetzt eine Ikone und wie wird sie dann inszeniert? Oder kann man sich selbst zur Ikone inszenieren und ist deswegen schon Ikone? Da geht es natürlich um Medien, um Verbreitung, um Überpräsenz, die sich dann ins kollektive Bildgedächtnis einschreibt. Charley Chaplins Füße, da weiß nach zwei Sekunden jeder sofort, was es ist. Es war spannend herauszufinden, wann auch gewisse Bewegungen lesbar sind und für uns Bilder ergeben.

Also ganz runtergebrochen, dass jeder das sofort erkennt und damit etwas verbindet. Aber das ist doch sicher auch generationsabhängig?

Absolut, und das war im Team tatsächlich interessant. Ich weiß es nicht genau, aber wir haben einen Cast von 25 bis 63 Jahren, da hast du schon mal ein bisschen was abgedeckt. Insgesamt habe ich den Eindruck, es gibt schon viele Ikonen, die generationsübergreifend funktionieren, aber je weiter man in die Gegenwart schaut, desto schnelllebiger und weniger markant wird es vielleicht, aber dafür umso krasser selbst inszeniert. Wir gehen mit dem Stück nicht in diese Richtung, aber vielleicht sind die wahren heutigen Ikonen Influenzer – zumindest wen man das Inszenierte, Angehimmelte und die Anzahl der „Follower“ nimmt. Der Unterschied ist vielleicht, du hast dazu nicht ein ikonisches Bild, das auf alles verweist, wie das Foto von Albert Einstein, der die Zunge rausstreckt oder Marilyn Monroe im weißen Kleid auf dem U-Bahn -Schacht.

Wie setzt Du die Bilder den auf der Bühne um?

Wir arbeiten mit Video und mit den Tänzer:innenkörpern. Auf der Live-Ebene arbeite ich mit der Idee von tableaux vivants und mit Videoschnitttechnik, wobei wir letztere auf die Performer:innen-Körper übersetzen, das heißt du gehts quasi mit den Live-Körpern in den Schnitt. Der Effekt ist, dass die Tänzer:innenkörper teilweise so aussehen, als sein sie Video und du würdest hin und her scrollen. Das gibt so eine andere Körperlichkeit, bei der du jetzt nicht an eine Tanz-Technik oder sonst einen tänzerischen Ablauf denken würdest. Im Video arbeiten wir dann sowohl mit Ausgangsbildern, die aber nicht immer lesbar sein werden, weil wir sie auch immer wieder überschreiben, als auch mit den duplizierten Tänzer:innenkörpern.

Überschneidet sich da „Is there a world beyond the image“ auch mit deinem letzten Stück „Apon Paron“, das ja die Wechselwirkung des Zwei- und Dreidimensionalen, die Frage nach Realität und Projektion in den Blick genommen hat?

Ja total und auch gar nicht. Es überschneidet sich, weil es eigentlich das Gegenteil möchte. In „Apon Paron“ ging um das Nicht-Anwesend-Sein. Klar, da gab es auch den Tänzer im Original und sein digitales Abbild als eine Art Hologramm. Aber es ging um das Abwesende, das Verschwinden. Und jetzt geht es um das Überanwesend-Sein, den überpräsenten Körper. Den Körper, der live auf der Bühne ist, aber auch 100 Mal digital inszeniert wird – und da stellt sich dann eben die Frage: Wo suche ich denn die die Begegnung, suche ich die tatsächlich auf Augenhöhe mit den echten Performer:innen? Oder ist es vielleicht viel, viel toller digital – da gibt’s Special Effekts, Filter, Glanzlicher, whatever… Auch das ist eine Frage im Zusammenhang mit der Ikone: Hat nur das Original die Aura und wenn es millionenfach reproduziert wird, verliert es sie dann? Oder verleiht diese Vervielfältigung erst eine Über-Aura.

Wie Du ja in deinem Text schreibst: ein Ereignis zwischen Bilderrausch und Bildersturm. Würdest du sagen Ikonen provozieren immer ihre Zerstörung?

Ich weiß nicht ob immer, aber sie macht sich schon anfechtbar, sie haben ja auch Macht über Menschen. Aber es himmelt ja nicht jeder das gleiche an; und wenn ich nicht verstehe, warum das jemand anhimmelt… Wir haben uns auch mit den verschiedenen Typen, die Bruno Latour in seinem Werk „Iconoclash“ zeichnet, befasst: Ein Typus, der einfach die Bilder unaufmerksam zerstört, einer, der sie gewollt zerstört, einer der sie zerstört, aber währenddessen 5000 neue Bilder generiert… Und in „Is there a world beyond the image“ sind die – nicht offensichtlich – aber versteckt sind diese Techniken drin, die manchmal vom Video, manchmal von der Szene übernommen werden. Aber tatsächlich ist der Titel des Stücks auch die Frage für das Stück. Wir müssen die nicht beantworten, aber wir gehen auf eine Reise mit dem Publikum und schauen dabei, ob es eine Antwort darauf gibt.


„Is there a world beyond the image” findet von 29. – 31. Juli, jeweils um 20:30 im schwere reiter statt: INFO

Mehr zu Stephanie Felber: Website

Das Interview führte Simone Lutz, Juli 2022


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