> zurück


Mehr erfahren zu Tanz in München! Im TTmag sprechen Tanzschaffende über Ihre Ästhetik und Herangehensweise, werden Tanzformate und Münchner Tanzthemen unter die Lupe genommen!
 

Gespräche zu Stücken
Stephan Herwig: Les Préludes



Stephan, Du arbeitest bei „Les Préludes“ das erste Mal mit vorgegebener Musik. Sieben Präludien von Debussy und die Prélude Opus 45 von Chopin werden vom Pianisten Zoran Imširović live am Flügel gespielt. Wie kam diese Wahl zustande und wie sind deine Erfahrungen?

Debussy war mein Vorschlag, seine Musik berührt mich auf eine besondere Weise. Seine Musik wird zwischen der Zeit der Romantik und dem Impressionismus angesiedelt. Meine Arbeit ist eher weit weg von beidem. Vielleicht hat mich dieser Kontrast besonders gereizt. Wirklich begründen kann ich diese Wahl nicht. Es war, wie vieles in meiner Arbeit, eine Gefühlsentscheidung. Zoran fand die Idee sehr spannend und hat dann als Zusatz die Prélude von Chopin vorgeschlagen.

Mit Musik als Grundlage für eine Choreografie zu beginnen, ist für mich ein komplett neuer Prozess. Die Musik gibt von Anfang an ein klares Gerüst, eine Art Skelett für das Stück vor, an dem ich mich voran tasten konnte.

Wie bindet ihr den Pianisten samt Flügel in die Bühnensituation mit ein?

Es gibt für dieses Stück keine klassische Bühnensituation. Alle teilen sich den gleichen Raum. Tänzer:innen, Pianist und Publikum. Somit gibt es räumlich keine Abgrenzungen. Die Rollenverteilungen bleiben aber klar. Zoran fängt nicht an zu tanzen und die Tänzer:innen fangen nicht an zu musizieren. Allerdings bewegt Zoran seine Finger natürlich über die Tasten des Flügels und in den stillen Momenten kann man sehr wohl die Bewegungen des Tanzes auch hören.

Was habt ihr herausgefunden über das Verhältnis von Tanz und Musik, bzw. wie setzt ihr die Begegnung jenseits von Interpretation um?

Musik wird im Tanz (wie auch im z.B. im Film) häufig eingesetzt, um Stimmungen zu verstärken. Tanz in der Musik (z.B. in der Oper), um musikalisch langatmige Passagen etwas „aufzupeppen“. Beides interessiert mich nicht. Ich glaube Musik und Tanz haben sich nur etwas zu sagen, wenn sie auch voneinander losgelöst existieren könnten. Wenn sie gleichberechtigte Partner sind.

Ich verstehe den Tanz in „Les Préludes“ wie eine Reise, einen Trip mit seinem eigenen Flow. Die Musikstücke sind wie Stationen auf dieser Reise; in manchen verweilen wir länger, manche streifen wir nur, erinnern uns aber vielleicht später im Stück wieder an sie.

Nach langer Pause bist du nun selbst wieder tanzend auf der Bühne zu sehen. Wie ist es, gleichzeitig fürs Ganze verantwortlich zu sein und einen Part im Ganzen zu spielen?

Ich habe ein ganz großartiges Team vor und hinter der Bühne um mich, die diese Gleichzeitigkeit möglich machen. Vertrauen ist der Schlüssel.

Gibt es etwas, das dich überrascht hat im Probenprozess?

Eigentlich passiert in jeder Probe etwas Überraschendes. Da wir nicht mit festgelegtem Bewegungsvokabular arbeiten, entstehen immer wieder neue und andere Arten der Begegnung. Wir versuchen alle Bereiche des Stückes für uns selbst spannend zu halten und komplett im Moment zu handeln. Dies fordert eine hohe Aufmerksamkeit aller Beteiligten und ein spontanes Handeln, was immer wieder zu Überraschungen führt.




"Les Préludes" findet von 1. bis 4. Dezember 2022 im schwere reiter statt: INFO

Mehr zu Stephan Herwig: Stephan Herwig

Ein Portrait in Interviewform von Sabine Leucht über Stephan Herwig, gibt es hier im TTmag: Ein Virtuose der Stille und der Gemeinschaft



Das Interview führte Beate Zeller, November 2022


Tanztendenz München e.V. wird gefördert
durch das Kulturreferat der LH München