> zurück


Mehr erfahren zu Tanz in München! Im TTmag sprechen Tanzschaffende über Ihre Ästhetik und Herangehensweise, werden Tanzformate und Münchner Tanzthemen unter die Lupe genommen!
 

Gespräche zu Stücken
Stephanie Felber: CARNAL SCREEN



Stephanie, womit beschäftigst du dich aktuell?

Neben den Vorbereitungen und Proben zu CARNAL SCREEN setze ich mich mit der Möglichkeit von 360-Grad-Sound und der Psychoakustik, dem Zusammenspiel von Performer:innen, sowie (Theater)Raum als Körper und Klang innerhalb von Theaterinszenierungen, auseinander; gefördert durch das Arbeits- und Fortbildungsstipendium des Kulturreferats der LH München.

In diesem Zusammenhang wird zum Beispiel im November in der Halle 6 ein öffentlicher Workshop mit dem bildenden Künstler, Wissenschaftler und Performer Michael Akstaller stattfinden. Michael initiierte 2017 gemeinsam mit Jan St. Werner die Klasse für Dynamische Akustische Forschung an der AdBK Nürnberg. In dem Workshop wird es um die Beziehungen zwischen Klang und Raum und Methoden zur erweiterten Raumwahrnehmung gehen.

Videofilm und Live-Tanz zusammen auf die Bühne zu bringen, beschäftigt dich ja schon seit geraumer Zeit. Als würde es dir immer darum gehen, zu fragen, wie lebendig das Abbild sein kann, wenn du es in Konkurrenz zu den realen Tänzer:innen stellst – bzw. zu erforschen, was in Ko-Präsenz mehr unsere Aufmerksamkeit zieht – ist es das, was dich daran am meisten interessiert?

Da ich nach meiner Tanzausbildung eine Ausbildung zur Fotodesignerin und Kamerafrau absolvierte, würde ich sagen, dass mich beide Bereiche, Choreografie und Film seit längerer Zeit begleiten. Die intensive Auseinandersetzung mit Film und Video-Installationen hat meine Herangehensweise an Tanz und meine Sichtweise auf Choreografie sehr beeinflusst. Nachdem sich diese Medien anfangs gegenseitig inspirierten, habe ich im Lauf der Zeit immer mehr versucht, diese zu verweben. CARNAL SCREEN fungiert somit als Peak, in dem ich - idealisiert - versuche, aus beiden Medien eines werden zu lassen.

„Präsenz“ im Allgemeinen beschäftigt mich ebenfalls seit einiger Zeit. Angefangen beim Publikum: Wie präsent fühle ich mich als Besucher:in während einer Aufführung? Was trägt dazu bei, dass sich das Publikum anwesend fühlt? In Zusammenarbeit mit den Performer:innen erarbeiten wir unterschiedliche Stufen von Präsenz. Ein- und ausladende (abwesend und hyper-anwesend) und raumwirksame Präsenzen der Performer:innen. Und als Erweiterung die Übertragung auf die Filmebene: Wie präsent kann das Abbild einer Person sein? Welche Atmosphären können sich über die Filmebene übertragen und wie zoomen wir uns in eine filmische Welt hinein?

In deinen Arbeiten ist die aktive Teilhabe des Publikums meist sehr zentral, häufig darf es sich mitten unter die Performer:innen mischen. Diesmal wird das Publikum - recht klassisch - auf der Tribüne sitzen. Wie kommt es zu dieser Entscheidung?

Meine Inszenierungen sind experimentell angelegt und spielen mit der Wahrnehmung des Publikums. Dieses Mal erforsche ich, inwieweit sich das Publikum in unsere Live/Film-Inszenierung hineinversetzen und mitfiebern kann, sich gewissermaßen in das Geschehen “hineinzoomt”. Dafür möchte ich eine einheitliche Perspektive vorschlagen, statt von vornherein zu setzen, dass es durch das Mittendrinsein per se viele verschiedene Draufsichten gibt.

Es geht dir bei CARNAL SCREEN um Suspense, um die Spannung, die erzeugt wird, wenn man mitfiebert. Wie willst du diese Spannung erzeugen? Bei Suspense denke ich immer an Hitchcock – gibt es filmische Vorbilder, an denen du dich orientierst?

Unser Interesse richtet sich auf die körperliche (An)Spannung, in der sich die Protagonist:innen befinden und das Spiel mit einer Ungewissheit durch Verzögerung, die sich auf die Betrachter:innen übertragen kann. Suspense im klassischen Hitchcock-Sinne, in dem das Publikum mit Informationen ausgestattet wird, von dem die Protagonist:innen nichts wissen und eine Geschichte erzählt wird, werden wir nicht hervorrufen. Uns geht es in CARNAL SCREEN viel mehr darum, mit einer erzählerischen Puzzle-Technik zu arbeiten und eine Anspannung hervorzurufen. Wir orientieren uns an Filmen der Regisseure: Alfred Hitchcock, David Lynch, Stanley Kubrick, Nicolas Roeg, die Meister dieser Technik sind, und stellen Parallelen in unserer Inszenierung her.

Die Musik wird vermutlich eine wesentliche Rolle spielen, ist das deine erste Zusammenarbeit mit Christoph Reiserer?

Mit Christoph Reiserer arbeite ich nach „(In)Security“ 2019, bereits das zweite Mal zusammen. Unsere Arbeitsweise ist sehr kollaborativ. Es ist eher eine gemeinsame Recherche und Reise des gesamten Teams. In CARNAL SCREEN verfolgen wir mit der Musik das Hervorrufen unterschiedlicher Atmosphären, wir spielen mit der Wahrnehmung eines zwei- und dreidimensionalen Raums und erforschen, wie sich mittels Akustik Erwartungen kreieren lassen.


„CARNAL SCREEN” findet von 28. – 30. Juli, jeweils um 20:30 im schwere reiter statt: INFO

Mehr zu Stephanie Felber: Website

Das Interview führte Beate Zeller, Juni 2023


Tanztendenz München e.V. wird gefördert
durch das Kulturreferat der LH München