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20. Mai 2013 / 21:30
Stefan Marria Marb
TORSO

> i-camp

Wir kannten nicht sein unerhörtes Haupt,
darin die Augenäpfel reiften. Aber
sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber,
in dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt,

sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug
der Brust dich blenden, und im leisen Drehen
der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen
zu jener Mitte, die die Zeugung trug.

Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz
unter der Schultern durchsichtigem Sturz
und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle;

und bräche nicht aus allen seinen Rändern
aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle,
die dich nicht sieht. Du musst dein Leben ändern.
Rainer Maria Rilke

Das Sonett „Archaischer Torso Apollo“ von Rainer Maria Rilke entstand 1908 und beleuchtet den Belvederetorso des Bildhauers Apollonius aus dem 1.Jhd. v. Christus, der zur Zeit in den Vatikanischen Museen in Rom ausgestellt ist.

Stefan Marria Marb lässt sich in seiner Performance TORSO sowohl von Rilkes Sonett als auch von der Torsoskulptur gleichermaßen inspirieren.
TORSO bedeutet eigentlich Rumpfstatue bzw. Bruchstück, und hat seit jeher Dichter wie Rilke, Bildhauer wie Auguste Rodin, oder Philosophen wie Peter Sloterdijk inspiriert und beeinflusst.

Für Sloterdijk waren die Skulptur und das Sonett von Rilke die Initialzündungen zu seinem 2009 erschienenen Werk „ Du musst Dein Leben ändern“, in dem er sich mit anthropotechnischen Aspekten des Menschseins und Bewegungsexerzitien im Allgemeinen auseinandersetzt. Er leitet aus dieser Skulptur „einen Befehl aus Stein“ heraus und beleuchtet darin gleichzeitig Rilkes Sonett, aus dem er eine mysteriöse Vollkommenheit des Dargestellten herausfiltert. Die Skulptur eines Torsos macht es dem Betrachter nicht leicht, denn sie erfordert, so Rodin, ein Sich-nach- Innen-Biegen, ein Lauschen in die Tiefe des Innenraums, um einer Bedeutung gewahr zu werden. Ein Torso widerstrebt der Perfektion und zeigt sich dagegen als etwas Entstelltes, ja Verletztes und Behindertes. Und doch… „sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber“ und verursacht beim Betrachter beinahe ehrfürchtigen Respekt.

Marb setzt sich in seiner Performance konkret mit einem deformierten Metalltorso auseinander und tritt mit ihm in einen dramatischen Dialog. Die Choreografie ist geprägt von einer radikalen Körperlichkeit und Verletzlichkeit, welche durch ein Zitat von Peter Sloterdijk aus seinem oben angeführten Werk treffend beleuchtet wird: „Der Mensch als Tier, das vorankommen muss, weil es von etwas behindert wird“. Der scheinbar aussichtslose Kampf mit dem metallischen Körper zwingt den Butohtänzer letztlich in seinen eigenen Torso zu lauschen, das eigene fragmentarische Selbst zu begreifen, um schließlich das Wesentliche zu erahnen.


Choreografie und Tanz: Stefan Marria Marb
Musik: Nick Parkin
Licht und Technik: Rainer Ludwig

Premiere: Die Premiere von Torso fand am 26.10.2012 in der premier etage in München statt. Dauer: ca. 30 Minuten

Torso ist eine Eigenproduktion von Stefan Marria Marb, mit freundlicher Unterstützung der Tanztendenz München und des Lachdachateliers



Spielort
i-camp / neues theater münchen
Entenbachstr. 37
München
Eintritt: 16,- / 10,- erm.
Reservierung: 089 / 65 00 00
tickets@i-camp.de
www.i-camp.de


Tanztendenz München e.V. wird gefördert
durch das Kulturreferat der LH München